Lost & Found (or maybe stolen):
DAS POTLATCH-PARADOXON

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9. May 2022

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In der Reihe der »LOST & FOUND (or maybe stolen)«-Gegenstände aus dem Archiv reproducts präsentieren wir die Inventarnummer D51688-190118, aufgenommen von einem reproducts-Mitarbeiter am 18. Januar 2019 in Wipperfürth nahe der Hermann-Voss-Realschule auf der Straße Am Mühlenberg in Richtung Ostlandstraße (Google Maps: 51.11698096688098, 7.40342394808948). Schlagring aus Fichtenholz, holzsichtig und teilweise betuscht, 7,5 x 11 x 1,7 cm (HBT)

In der Hermann-Voss-Realschule führt 2018 die popkuturelle Umdeutung der Symbole von Gewalt und Terror zu einer ganz praktischen Aufgabe im „DIY meets Homeskillz“-Workshop (ehemals „Werken und Hauswirtschaft“). Statt wie früher Brieföffner oder Kerzenhalter aus Fichtenkanthölzern zu beiteln und zu schleifen (beides kommt heutzutage nicht mehr infrage, der Bedarf an Brieföffnern ist nicht mehr vorhanden und Kerzenhalter sind, wie die Kerzen selbst, längst den verschärften Feuerschutzbestimmungen in öffentlichen wie privaten Gebäuden zum Opfer gefallen)sollen die Schüler Objekte schaffen, die als Antithese zur Aggression fungieren. Ma lte Wuschak, Kunsterzieher an der Hermann-Voss-Realschule, inspiriert u.A. von den Werken eines Claes Oldenburg, ermuntert die Schüler, Gegenstände zu fertigen, die Gewalt qua ihres gegenständlichen Seins ad absurdum führen.

Oldenburgs überdimensionierte Darstellung einer Pistole aus dem bunten und angenehm weichen Material war für Wuschak die Initialzündung für seine „DIY meets Homeskillz“-Aufgabe. Und die Schüler der Hermann-Voss-Realschule machen sich begeistert an die Arbeit. Wuschaks Favorit ist schon bald die Arbeit von Leonie Pawelka, zu der er sofort einen ganz persönlichen Bezug hat und die auch objektiv die Heimeligkeit der Ikea-Hyggeness mit dem Terror der Straße verbindet. In seiner schlichten Brutalität, die durch die Tuschfärbung des Korpus’ nur vage gemindert wird, bringt der Holz-Schlagring von Leonie alles auf den Punkt. Wuschak ist geradezu mesmerisiert durch den Anblick und die Haptik des hölzernen Schlagrings, der seine rechte, viel zu große Hand im Hin- und Herdrehen umschmeichelt. Für einen Moment verflüchtigt sich sein heftiger Tinnitus und der Kunsterzieher driftet zurück in die Zeit, als er voller Tatendrang in den Schuldienst eingetreten war, um eine „neue und bessere“ Generation von Menschen heranzubilden. Eine Entscheidung, bei der ihm schon damals die Kunst den Weg gewiesen hatte. Allen voran eine großformatige Fotoarbeit von Astrid Klein. Sie hatte mit diesem Bild „einen Schalter umgelegt“, wie Wuschak später seinem Therapeuten erzählen wird: „Alles haben können, alles wegwerfen dürfen“.


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