FOTO: CHRISTOPH IRRGANG

»Fotografie lässt sich nicht gerne anfassen«

Die Ausstellung BEHIND THE SCENES zeigt Prozesse von Austausch und Veränderung, mit denen die fotografische Sammlung des Hauses der Photographie konfrontiert ist. Ein Gespräch mit der Kuratorin Sabine Schnakenberg. VON CAROLINE HUZEL

3. August 2022

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Sabine, das Thema der diesjährigen Triennale der Photographie in Hamburg lautet CURRENCY (Währung). In welcher Form findet es sich in der von dir kuratierten Ausstellung BEHIND THE SCENES im PHOXXI wieder?
Die Idee, den sanierungsbedingten Umzug der Sammlung aus dem Haus der Photographie in den Brooktorkai zu dokumentieren, gab es schon bevor das Thema der Triennale feststand. Ein solcher Umzug ist ein riesiger, herausragender Prozess, der den Besucher*innen ansonsten in der Regel gänzlich verborgen bleibt. Anstatt Bilder aus der Sammlung zu zeigen, fand ich es interessanter, das zu zeigen, was normalerweise im Hintergrund abläuft: Wie Bilder gelagert werden, wie mit ihnen als kultureller Währung umgegangen wird. Christoph Irrgangs Auftrag war es, diese Prozesse auf lyrisch-poetische Weise festzuhalten.

Die Ausstellung zeigt die Vielschichtigkeit des Begriffs CURRENCY, bei dem es ja auch um Wertschöpfung geht. Wie lässt sich der Wert einer Sammlung bemessen?

Der monetäre Wert einer Sammlung basiert immer auf Versicherungswerten. Das sind in erster Linie Orientierungswerte, ideale Werte. Man kann sich dabei von gewissen Aspekten leiten lassen, der absolute Wert ist aber natürlich nie fassbar. Auch der persönliche Wert spielt dabei eine wichtige Rolle: Welche Bedeutung misst der Sammler beziehungsweise die Sammlerin einem Bild innerhalb seiner oder ihrer Sammlung bei? Das hängt ab von der Emotionalität, die das einzelne Bild bei dem Sammler oder der Sammlerin freisetzt: Hängt das Herz dran oder nicht?

Ein zentrales Motiv der Ausstellung sind Hände.
Die Hände sind das Element, welches die Bilder bewegt, sie auswählt und sortiert. Keine Fotografie lässt sich gerne anfassen, deshalb ist es wichtig, wie Bilder berührt werden – am besten mit Baumwoll- oder Latexhandschuhen. In der Ausstellung kommt noch eine weitere Bedeutungsebene hinzu: Denn es sind nicht irgendwelche Hände, die abgebildet werden, sondern die der Sammlungskuratorin.

Das sogenannte korrekte »Handling« von Bildern spielt also auch eine Rolle. Wie man richtig mit Fotografien umgeht, ist allerdings noch gar nicht so lange bekannt.


Der Kunstmarkt ist erst in den 1970er-Jahren auf die Fotografie aufmerksam geworden. Dementsprechend ist auch das Wissen über das Medium Fotografie und den richtigen Umgang damit noch relativ jung. Entscheidend sind die Umgebungstemperatur und die Luftfeuchtigkeit sowie generell die Frage, womit das Fotomaterial in Kontakt kommt. Wichtig ist, dass der fotografische Prozess, der bei analogen Bildern nie ganz abgeschlossen ist, kontrollierbar bleibt. Das ist nicht immer möglich, kann aber durch die richtige Lagerung sowie das richtige Handling stark beeinflusst werden.

Gleichzeitig ist das Motiv der Hände auf verschiedene Weisen lesbar.


Das zeigt sich besonders bei den drei die Ausstellung ergänzenden Serien von Christoph Irrgang public, gestus und nahbildlich, die auf der Empore des PHOXXI gezeigt werden. Dort sieht man die den Auktionshammer haltenden Hände eines Auktionators sowie einen Ausschnitt aus dem sozialen Repertoire von Gesten während einer Ausstellungseröffnung oder eines Museumsbesuchs. Die Hände zeigen die Behandlung der Arbeiten im Ausstellungskontext auf dem Kunstmarkt und während der Rezeption der Arbeiten durch die Besucher*innen.

Christoph Irrgang, in scene #1, 2022 © Christoph Irrgang

Inwiefern lässt sich das Motiv der Hände in der Serie Paris Photo von Anna Gripp und Denis Brudna wiederfinden?
Das Handling von Fotografie spielt auch hier, im Rahmen der weltweit größten Börse der Fotografie, eine Rolle. Allerdings eher in dem Sinne, wie Bilder bewegt und gezeigt werden und wie sie ihren Besitzer/ihre Besitzerin wechseln. Den intimen Ansichten aus der Sammlung werden hier Situationen entgegengestellt, die sich zufällig und spontan auf der von Besucher*innen wimmelnden Fotomesse ergeben haben. Im Zentrum stehen dabei weniger die Bilder selbst, als vielmehr die Menschen, die mit diesen Bildern zu tun haben und an der Welt der Fotografie beteiligt sind – Kurator*innen, Sammler*innen, Galerist*innen und viele mehr.

Auch F.C. Gundlach ist auf den Bildern zu sehen, die Paris Photo hatte stets einen festen Platz in seinem Kalender. Nach welchen Kriterien hat er seine Bilder ausgewählt?

Gundlach hat nie nach bestimmten Kriterien, sondern immer neigungsbedingt gekauft. Diese Neigung wurde stark durch seine eigene Fotografie, die Modefotografie beeinflusst. Denn das Medium der Fotografie setzt eine Sache besonders frei – nämlich das Erinnern von Dingen. Als Sammler*in oder Kurator*in sucht man assoziativ Fotografien zusammen, die immer auch mit einem selbst zu tun haben. So unterschiedlich wie die Facetten der eigenen Persönlichkeit ist am Ende auch die Sammlung bzw. Ausstellung.

Wird die Sammlung F.C. Gundlach im neu sanierten Haus der Photographie einen besonderen Platz bekommen?
Es ist geplant, einen eigenen Gundlach-Trakt inklusive Lager, Bibliothek und eigener Ausstellungsfläche einzurichten. Die Sammlung bildet viele spannende Aspekte und inhaltliche Schwerpunkte ab, die dann gesondert ausgestellt werden können, ohne dass die Arbeiten den direkten Bezug zur Sammlung verlieren und somit den weitestgehend intimen und nahsichtigen Charakter der privaten Sammlung behalten. Ich glaube Herr Gundlach hätte sich besonders über diese Möglichkeit sehr gefreut, weil seine Preziosen dadurch in einem besonderen Licht gezeigt werden.

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Caroline Huzel studierte Kulturwissenschaften und Kommunikationswissenschaft in Lüneburg und Münster. Derzeit arbeitet sie als Volontärin in der Kommunikation bei den Deichtorhallen Hamburg.

Die Ausstellung BEHIND THE SCENES ist bis zum 14. August 2022 im PHOXXI, dem temporären Haus der Photographie, zu sehen.


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