#photography2050:
Alina Frieske
3. März 2021
FOTO: ALINA FRIESKE, TILE1 © ALINA FRIESKE
3. März 2021
Bei dem Gedanken an das Foto der Zukunft wird mir bewusst, wie sehr Fotografie in der heutigen Zeit in Prozesse der automatisierten Bildauswertung eingebunden ist.
Welche Bilder werden jedoch dann morgen noch relevant sein, welche verlieren ihre Bedeutung?
Eine Vielzahl von Technologien und Algorithmen für die Bildanalyse haben die Fotografie heutzutage unterwandert, um ihre Bildinhalte auszuwerten, sie anschließend mit Bereichen wie Konsumenten*innenforschung zu verknüpfen und unsere individuellen Interessen zu prognostizieren. Wir sehen, was der Algorithmus für unsere individuell analysierten Sehgewohnheiten errechnet hat.
Ein Foto unbenannt oder inhaltlich unerschlossen zu lassen, würde zugleich bedeuten es den Auswertungszyklen zu entreißen. Hat ein Foto erst einmal einen Bildschirm gestreift, ist eingefügt in Systeme der Bildanalyse und algorithmischen Beurteilung, lässt sich schnell die Wahrscheinlichkeit berechnen, wer oder was darauf abgebildet ist. Wiederum geteilt in seine einzelnen Fragmente wird das Bild in vorgefertigte Rubriken und Filter eingeordnet. Was bleibt jedoch dann in Zukunft vom Foto übrig? Wie oft lässt es sich zerteilen, bis der Inhalt nicht mehr erkennbar ist?
Der jeweils festgehaltene, fotografische Moment bleibt nicht
isoliert. Er wird verglichen mit bereits verfügbaren Fotos, auf
Ähnlichkeiten und Unterschiede untersucht, die Inhalte anschließend
abstrahiert, verallgemeinert und nach vorgegebenen Kategorien in das
visuelle Kollektiv von anonymisierten Bildern eingeordnet. Eingespeist
in dieses Konglomerat von Bilddaten, werden digitale Netzwerke mit
beinahe neuronalen Fähigkeiten aktiviert, um fotorealistische Bilder
anhand der immensen Bilddatensammlung völlig neu zu erzeugen. Die
Umrisse haben sich aufgelöst, das Mosaik kann ständig neu
zusammengesetzt werden. Die Daten werden konstant aktualisiert, sich
fremde Bildinhalte zusammengebracht und ins Unkenntliche miteinander
verwoben, bis sie über die Ränder der Fotografie hinauswachsen.
Wo
beginnt ein Bild dann und wo endet es, wenn seine visuellen Konturen
permanent gesprengt werden, aufgelöst werden in der Anhäufung und dem
Abgleich mit den vermeintlichen fotografischen Doppelgängern?
Zwischen Imagination und Dokumentation war das Foto schon immer
voller paradoxer Eigenschaften. So wird die Fotografie vermutlich
weiterhin Trennlinien verwischen, sich Kategorien entziehen, ihr
Potenzial subversiv entfalten, um neue Ansichten und Denkweisen
außerhalb automatisierter Rahmenbedingungen abzubilden.
Alina Frieske (*1994) beschäftigt sich mit zusammengesetzten Bildern und studiert die Schnittstelle zwischen Malerei und Fotografie. Mit einem Interesse für Bildmaterial aus dem Internet und dessen Zirkulation, setzt sie sich mit Prozessen der Meinungsbildung und Identifizierung auseinander. Sie war Teil des «Ones to Watch 2020» des British Journal of Photography und stellte ihre Arbeiten unter anderen auf dem Festival Vevey Images in der Schweiz und dem Fotografie Festival Hyères in Frankereich aus. Sie lebt und arbeitet in Berlin.