Georges Senga, Empreintes, 2009 © Georges Senga

Yvette Mutumba

In unserer Serie #photography2050 entwerfen Kurator*innen, Künstler*innen und Autor*innen ihre persönliche Zukunftsvision der Fotografie: Wir schreiben das Jahr 2050 – wie relevant wird das Medium Fotografie dann noch sein? Wie sieht das Foto der Zukunft aus? VON MAGNUS PÖLCHER

21. März 2019

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Die verrottete Version einer altmodischen Virtual Reality Brille. Verlassen liegt sie auf dem zerstörten Planeten Erde. Ein Fotograf in einem Raumanzug hat sie ausfindig gemacht und aufgenommen. Auf dem Bild-Label in der Ausstellung des Zentrums für zeitgenössische Kunst der Mondstation X59 steht: »Aus der Serie: Visuelle Technologien der jüngeren Geschichte«.

Als ich das Foto von Georges Senga zum ersten Mal anschaute, entstand diese kleine Anekdote in meinem Kopf. Hier hat ein Fotograf die Geschichte der Zukunft festgehalten, dachte ich. Bis heute bin ich mir nicht sicher was für ein Objekt tatsächlich abgebildet ist. Senga habe ich nicht gefragt, um meine kleine Phantasie aufrecht zu erhalten. Realität ist, dass er diese Fotografie 2009 in seiner Heimatstadt Lubumbashi aufnahm. Sie ist Teil der Werkserie Empreintes (»Abdrücke«). Mit akribischem und sensiblem Auge verfolgte Senga Spuren von Menschen, von Objekten, von Natur. Seine Kamera wurde zu einem Seismographen der kleinen und großen Erschütterungen, die das Leben der Erde eingravierte. Seine Fotografien halten aber nicht nur das fest, was war. Durch ihre Bestandsaufnahme verweisen sie auch darauf, wie eine von Mensch, Objekt und Natur gekennzeichnete Zukunft aussehen könnte.

Das dem Smartphone-Zeitalter zugehörige Phänomen der konstanten Massenfotogafie sowie rasante technologische Weiterentwicklungen, die wir jetzt noch gar nicht erfassen können, sind sicherlich Teil der zukünftigen Fotografie. Nie aber werden diese Phänomene und Entwicklungen das besondere Auge von Fotografen wie Georges Senga ersetzen. Ihre Fotografien werden für andere unsichtbare Momente sichtbar machen, kleine Details in einer spezifischen Perspektive festhalten. Sie werden fotografische Werke erschaffen, die im Betrachter Phantasien auslösen, die Erkenntnisse ermöglichen und außergewöhnliche ästhetische Erfahrungen zulassen. Das ist die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Fotografie.

Yvette Mutumba ist Mitbegründerin und Chefredakteurin der Kunstmagazine Contemporary And (C&) und Contemporary And América Latina (C&AL). Mutumba war Teil des kuratorischen Teams der 10. Berlin Biennale und als Kuratorin am Weltkulturen Museum, Frankfurt a. M. tätig. Sie studierte Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin und promovierte an der Birkbeck, University of London.


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