Die Deichtorhallen Hamburg zeigen vom 7. September 2013 bis zum 12. Januar 2014 in der Sammlung Falckenberg in Harburg den bislang größten retrospektiven Überblick über das skulpturale, fotografische und filmische Werk des spanischen Künstlers Santiago Sierra (*1966 in Madrid). Die Ausstellung wurde von Dirk Luckow kuratiert und umfasst mehr als 70 Arbeiten. Sierra ist für seine provokanten Performances weltweit bekannt. Es gibt wohl kaum einen europäischen Künstler, an dessen Werken sich die Gemüter mehr erhitzen, kaum ein Werk, das mehr Widerspruch hervorruft. Mit seinen Arbeiten thematisiert Sierra die strukturelle Gewalt politischer und wirtschaftlicher Systeme.
Sierra konfrontiert die Betrachter mit einer äußeren Wirklichkeit, in der ökonomische Ausbeutung, Billiglöhne, Sich-Prostituieren oder das Verdrängen der Vergangenheit an der Tagesordnung sind: »Meine Arbeit ergreift Partei für das vom Kapitalismus zerstörte Leben. Und Kapitalismus ist für mich die ökonomische Spielart des Sadismus.« Sierra führt mit seiner Kunst einen Angriff nicht nur gegen ungerechte Verteilung des Reichtums und unmenschliche Arbeitsbedingungen, sondern kritisiert mit ihr vor allem das innerhalb der kapitalistischen Gesellschaften dominierende positive Image von Arbeit.
Die Ausstellung in der Sammlung Falckenberg lässt Sierras Entwicklung in der Auseinandersetzung unter anderem mit dem Minimalismus und der Konzeptkunst nachvollziehbar werden. Dabei sind die meisten seiner Werke Relikte von Performances; Zeichnungen etwa werden gar nicht um ihrer selbst willen gehängt. Sierras Werk ist von klaren Regieansagen bestimmt. Das beginnt bei der fotografischen oder filmischen Dokumentation, die ohne eigentliche fotografische oder filmische Ästhetik ist. Sierras großformatige, schwarz-weiße Fotografien sind oft grobkörnig und dokumentieren seine in der Regel öffentlichen Performances. Mit Künstlern wie Joseph Beuys, Richard Serra oder Franz Erhard Walther verbindet Sierra zudem die skulpturale Ästhetik.
weiterlesenZur Ausstellung ist der umfangreiche Katalog »SANTIAGO SIERRA − SKULPTUR, FOTOGRAFIE, FILM« erschienen. Mit einem Vorwort von Daniel Schreiber und Dirk Luckow sowie Texten von Miriam Schoofs, Carlos Jiménez und Juan Albáran. Herausgegeben von Dirk Luckow und Daniel Schreiber. 174 Seiten, gebunden mit zahlreichen s/w-Abbildungen, deutsch/englisch. Snoeck Verlag, 2013. 39,80 Euro.